Der Tanzsaal Rappelsdorf ist ein über 100 Jahre altes Gebäude und legt Zeugnis ab von einer sehr langen Tradition des guten Mit- und Füreinanders, der Heimat- und Brauchtumspflege sowie des Fröhlichseins. An diese Tradition soll angeknüpft werden. Der Rappelsdorfer Tanzsaal ist der älteste erhaltene Tanzsaal in Südthüringen und wurde 1908 im Jugendstil errichtet und von 2021 bis 2024 durch den Verein Heimatverbund Schleusingen e.V. aufwendig saniert.
Der Saal der ehemaligen Gastwirtschaft „Zur grünen Aue“ mit historischer Ausstattung ist seit 1995 ein durch das Thüringische Landesamt für Denkmalpflege ausgewiesenes Einzeldenkmal. Das Gebäude wurde 1908 durch einen der Vorbesitzer der Gaststätte, Gustav Schmidt, errichtet.
Es handelt sich beim Saalgebäude um einen einstöckigen Fachwerkständerbau auf einem Sandsteinsockel mit flachem Satteldach.
Dachsanierung: Mit der Sicherung des Daches wurde 2021 der Grundstein für eine drei-jährige Gesamtsanierung gelegt. Als erste Sanierungsmaßnahme wurde die marode Bitumenabdeckung entfernt und eine neue Dachabdichtung aus Titanzinkblech montiert. In diesem Zuge wurde das Holztragwerk des Dachstuhls saniert, die Decken gedämmt und der Kamin ersetzt.
Holzfachwerk und Sandsteinsockel: In einem nächsten Schritt wurden die den Fachwerkbau verklärende Schieferfassade der Westseite wie auch der unzulängliche WC-Anbau an der Ostseite zurückgebaut und das prägende Sichtfachwerk liebevoll restauriert.
Der sich bereits in Teilen lösende Außenputz wurde dafür zunächst vollständig entfernt; anschließend wurden Holzständerkonstruktion und Wandgefache ausgebessert, mit einem Wetterschutz versehen und neu gestrichen. Zuletzt wurde der neue Putz aufgebracht. Das Farbbild der Fassaden wurde in der historischen Farbgebung erhalten. Auch der umlaufende Sandsteinsockel wurde im Rahmen der Aussenarbeiten freigelegt und fachgerecht saniert. Von der Aufbringung einer Dämmung wurde aus denkmalpflegerischer Sicht bewusst Abstand genommen.
Fenster und Türen: Die Recherche historischer Fotos ergab, dass die Fensterteilung bei allen Fenstern aus 2-3 Hauptflügeln mit einem oberen Querflügel bestand, welcher in jeweils 8 Quadrate – bzw. 12 in den großen Nordfenstern – unterteilt war. Alle Fenster wurden gemäß der historischen Fensterteilung und mitsamt einer neuen Fensterverkleidung reproduziert. Die Fensterbretter wurden in Anlehnung an die alten Bretter mit den umlaufenden Fräsungen versehen. Die neuen Thermoscheiben wurden optisch mit der „Wiener Sprosse geteilt“ Bei den vertikalen Flügeln erfolgte je eine Zweiteilung.
Neben der südlichen Haupttür waren spiegelgleich 2 große Gefache, welche in der ersten Bauzeichnung von 1910 als Öffnungen kenntlich gemacht sind. Warum hier letztendlich keine Fenster eingebaut wurden, ist nicht bekannt. Mit der Sanierung wurden diese beiden Gefache durch Fenster ersetzt.
In das Hauptgebäude führen zwei Eingänge. Der Haupteingang direkt in den Saal hat eine zweiflügelige Kassettentür mit dreigeteiltem Oberlicht als Kippfenster. Diese war wegen ihres schlechten Zustandes nicht zu erhalten und wurde 1:1 durch einen Nachbau ersetzt, und den heutigen Brandschutzanforderungen nachkommend, ertüchtigt.
Die Nebentür zum Thekenraum wurde auf der Westseite verschlossen und neu Richtung Südseite wettergeschützt und dem Vorplatz zugewandt angeordnet. Damit ist nun auch ein behindertengerechter Zugang zum Saal möglich.
Der älteste erhaltene Tanzsaal Südthüringens – ländlicher Jugendstil anno 1908: Die für den Saal charakteristischen gekachelten Decken im Jugendstil sowie die Decke im Thekenraum, der heute liebevoll Heimatstube genannt wird, konnten alle erhalten werden und erstrahlen heute wieder - den alten Stil würdigend - in neuem Farbgewand.
Die Decken sind durchgängig mit Holzpaneelen verkleidet, welche mit aufgesetzten, dunkelbraun gestrichenen Profilbrettern Quadrate ausbilden, die jeweils über Eck mit einem langen Profilbrett verbunden sind. Somit ergibt sich das markante Wechselspiel aus größeren Oktagonen und kleineren Quadraten.
Der Dielenboden aus Fichtenholz im Saal wurde glücklicherweise in einem erhaltenswerten Zustand vorgefunden. Dieser wurde während der Bauzeit abgedeckt und konnte so - wie auch die „Lamperie“ (Wandvertäfelung aus Holz bzw. „Boiserie“) erhalten werden. Die Holzdielen im Saal waren zur Verbesserung der Gleitfähigkeit speziell für die Nutzung als Tanzboden mit einem „Tanzwachs“ behandelt. Der Boden im kleinen Thekenraum musste wegen größerer Schadstellen gegen einen neuen Fichteboden ausgewechselt werden.
Die an den Stirnseiten des Saals vorhandenen vertikalen Deckenverkleidungen wurden im neuen Farbkonzept der Wand angeglichen und es entsteht ein Eindruck von mehr Raumhöhe.
Die Wandflächen waren größtenteils mit weiß gestrichenem Putz versehen. Im Thekenraum und im Saal sowie im Garderobenraum gibt es eine etwa brüstungshohe Lamperie mit Abdeckleiste aus vertikal angebrachten Holzpaneelen. Diese wurden nach der Sanierung der Wände im Saal, im Thekenraum und in der Garderobe wieder mit sogenannter Bierfarbe gestrichen.
An den Wänden musste komplett der alte Innenputz entfernt werden. Bevor jedoch neu gestrichen werden konnte, folgten punktuelle Fachwerksanierung inkl. Leinölbehandlung sowie Aufbringung eines 3 cm starken Dämmputzes auf den Innengefachen.
Der Schankraum hat eine Durchreiche zum Saal, mit einer Festverglasung in Butzenscheibenoptik im oberen Bereich. Diese wurde im Sanierungskonzept übernommen. Rechts daneben hat Slusia – die Schutzpatronin des Saals - ihren Platz eingenommen und erfreut sich der 6 großen Kronleuchter mit zentralem Wagenrad, welche den Tanzsaal in ein festliches Ambiente tauchen.
Respektvolles Weiterbauen: Der alte Saal verfügte zwar über einen kleinen Toilettenanbau; dieser war jedoch nicht Teil der ursprünglichen Planung. Die unzulängliche Größe für eine heutige Nutzung für 200 Personen sowie der schlechte baulichen Zustand ließen nur einen Ersatzneubau in Frage kommen. Der alte Annex wurde - der ursprünglichen Entwurfsidee folgend - durch einen freistehenden Neubau im gleichen Still ersetzt, welcher den Saal als stolzen Solitärbau respektiert und baulich freispielt. Das Ensemble der beiden Bauten ordnet sich heute schützend um die gemeinsame Sonnenterrasse mit schattenspendender Linde entlang des Rad-Wanderwegs zwischen Rappelsdorf und Schleusingen an. Die gegenüberliegende Festwiese kann für Anlässe unter freiem Himmel oder zur Aufstellung eines Zeltes hinzugemietet werden.
Sanitäranlagen und Gebäudetechnik: Da der Fußabdruck des WC-Gebäudes größer ist, als der alte, wurde unter der Parkplatzfläche eine ausgleichende Rigole verbaut. Das Abwasser wird in eine neue 12 m³ große abflusslose Grube geleitet und wird von dort abgefahren. Perspektivisch erfolgt der Anschluss an die Kläranlage Schleusingen. Der Tanzsaal ist trinkwasserseitig über eine PE-Trinkwasserleitung, welche als Düker durch die Schleuse verlegt wurde, erschlossen. Mit der Sanierung wurde auch die Trinkwasserleitung für Innen und Außenbereiche erneuert.
Die Elektroanlage wurde vollständig ersetzt. Für die Beleuchtung kamen mit der Sanierung Jugendstillampen zum Einsatz, die wahlweise als Kronleuchter zugeschaltet und gedimmt werden können.
Bei Stromausfall übernehmen Sicherheitsleuchten Innen und Außen eine Mindestbeleuchtung. Im Tanzsaal ist W-Lan und schnelles Internet vorhanden.
Für die Beheizung des Saals scheiden Heizungsanlagen mit wassergefüllten Wärmekreisläufen in der unbenutzten Zeit und damit wegen nichtgegebener Frostsicherheit aus. Der neue Toilettenersatzbau kann entgegen dem Saal selbst technisch auf höchsten Standard wärmegedämmt werden.
Die Beheizung des Gebäudes erfolgt im Tanzsaal über eine nichtwasserführende Heizung. Mit einer Leistungsstarken Warmluftanlage kann schnell und flexibel beheizt werden. Der Thekenraum verfügt über eine eigene Warmluftanlage. Bei hohen Temperaturen im Sommer wird kühle Luft über die beiden Lüftungsanlagen in die Räume eingetragen. Das WC-Gebäude ist mit e2iner elektrischen Heizung ausgestattet.
Wieder erschlossenes Erholungspotential: In dem zur aus 2018 stammenden Planung des Büros HSP Suhl zum „Hochwasserschutz Rappelsdorf“ angefertigten landschaftspflegerischen Begleitplan wurden Kriterien zur Bewertung des Landschaftsbildes, wie die Vielfalt, Eigenart und Naturnähe sowie der Erholungswert von Natur und Landschaft, betrachtet. Das Landschaftsbild ist die Grundlage für die natürliche, landschaftsgebundene Erholung und bezieht die Gesamtheit aller Sinneswahrnehmungen der Landschaft mit ihren Gerüchen, Lauten und Bildern ein. Die natürliche Erholungseignung der Landschaft wird u.a. über die Landschaftsbildqualität, Ruhe/Lärmfreiheit, Geruchssituation und Ausstattung an Erholungsinfrastruktur, wie z.B. Wegenetz und Aussichtspunkte beurteilt.
Laut den vorliegenden Untersuchungen ist die Ortslage von Rappelsdorf mit dörflichem Charakter durch eine gewachsene Siedlungsstruktur aus regelmäßig angeordneten 1- bis 2-geschossigen Wohngebäuden und Nebengelassen mit hohem Freiflächenanteil geprägt.
Elemente mit landschaftstypischem Charakter sind beispielsweise die restaurierte Mühle, das Gemeindehaus „Alte Schule“ und auch der Tanzsaal - gelegen in der flussnahen Wiesenlandschaft, welche den Ort umrahmt.
Zur Erlebniswirksamkeit und Erholungseignung der Landschaft um Rappelsdorf bewertet der Bericht anhand einer 5-stufigen Wertskala von „sehr hoch“ bis „sehr gering“ beispielsweise die Erreichbarkeit für Kurzzeiterholung als hoch, jedoch die Erholungsinfrastruktur nur als gering.
Der Tanzsaal selbst liegt am Fluss „Schleuse“ im Hochwasserschutzgebiet, seine Fußböden sind bis zu einem Wasserstand eines 100 jährigen Hochwassers hochwasserfrei. Spaßeshalber wird deshalb gesagt, dass Rappelsdorf an der längsten Schleuse der Welt liegt, mit immerhin 28 km Länge.
Vom Bau zur Nutzung: In diesem, aus verschiedenen Blickwinkeln bewerteten Umfeld liegt der Tanzsaal der ehemaligen Gastwirtschaft „Zur grünen Aue“ - nach Einschätzung der Denkmalschutzbehörde als „Kulturdenkmal historischer Dorfbildpflege mit ortsgeschichtlicher und volkskundlicher Bedeutung“ - und hat das Potential durch eine erneuerte und erweiterte Nutzung wieder zur Belebung des dörflich kulturellen Lebens in und um Rappelsdorf beizutragen.
Dieses Potential wurde mit der durchgeführten Sanierung erschlossen.
Der Verein Heimatverbund Schleusingen hat zur Nutzung des Tanzsaals einen langjährigen Nutzungsvertrag mit dem Eigentümer abgeschlossen. So sollen das Vereinsleben gestärkt und auch größere Veranstaltungen für den Ortsteil selbst als auch für die Stadt Schleusingen sowie andere Ortsteile oder Vereine möglich sein. Einwohnerversammlungen, Vereinsproben, Kulturveranstaltungen zur Brauchtumspflege oder lokale Festivitäten sollen durchgeführt werden können. So fanden in der Vergangenheit regelmäßig ein Sommerfest, Silvesterveranstaltungen, Geflügelausstellungen, Skat-Turniere oder Kirmes statt.
Für die Versorgung im Tanzsaal wurde eine moderne Theke mit einer kleinen Küchenzeile eingebaut. Für größere Feierlichkeiten wurde ein Versorgungswagen angeschafft, der in der Saison zunächst 2mal wöchentlich geöffnet hat. Entsprechend dem Brandschutzkonzept ist die Belegung des Tanzsaals mit maximal 200 Personen gestattet, wovon 100 Sitzplätze möglich sind.
Die alten Saaltische wurden teilweise aufgearbeitet und mit baugleichen neuen Tischen ergänzt. Die Bestuhlung erfolgte komplett neu mit nachgebauten Wirtshausstühlen aus der Zeit um 1900.
Der Zufahrtsweg von der Landesstraße an der Totenlache vorbei wurde 2018 von der Stadt Schleusingen öffentlich gewidmet. Hierrüber können die Lieferfahrzeuge bei Veranstaltungen oder auch Besucherfahrzeuge bei Kleinveranstaltungen zum Tanzsaal gelangen. Die Zufahrt wird auch als Rettungsweg genutzt. Der Zugang zum Tanzsaal ist behindertengerecht erstellt, ebenso die Zugänge zum WC-Gebäude.
Da der alte Radweg direkt am Tanzsaal vorbeiführt und ein neuer bedeutender Radweg auf gleicher Strecke errichtet wird, ist auch die Möglichkeit zur Schaffung eines Rastplatzes für Wanderer und Radfahrer gegeben. Radfahrer haben die Möglichkeit, ihr Rad aufzuladen. Am Gebäude sind 10 Parkplätze vorhanden, wovon einer für behinderte Personen reserviert ist.
Am Gebäude befindet sich eine 3.000 m² große Festwiese flankiert mit einem kleinen Kinderspielplatz und Sitzgelegenheiten.